Der sanftmütigste Mann auf Erden

Mirjam aber und Aaron redeten gegen Mose wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hatte; denn er hatte eine Kuschitin zur Frau genommen. Und sie sprachen: Redet denn der HERR allein zu Mose? Redet er nicht auch zu uns? (4. Mose 12,1-2)

Kaum etwas anderes stellt die Sanft­mut eines Menschen so sehr auf die Probe wie das Gefühl, Opfer eines Rufmordes geworden zu sein. Wie reagierst du, wenn du hörst, dass die Leute über dich etwas Nachteiliges erzählen, vor allem wenn es nicht stimmt und du keine Möglichkeit siehst, dich dagegen zu wehren? Wohl uns, wenn wir in dem verletzten Stolz einen Feind erkennen, die Überreste unserer fleischlichen Natur, die es in den Tod zu geben gilt. Wohl uns, wenn wir die Mahnung des Jakobus verinnerlicht haben und in der Anfechtung eine Chance und einen Grund zur Freude erkennen (vgl. Jak. 1,2-4.12). Wenn wir das Joch unseres Herrn tragen und so mit ihm im Gespann durch das Leben gehen, können wir gerade in solchen Situationen von ihm lernen, sanftmütig zu sein.

Das Alte Testament liefert uns einige Vorbilder in Sachen Sanftmut. Das größte von ihnen ist das Vorbild Moses, von dem es heißt, er war „sanftmütiger als alle Menschen“.

Eine Rufmord-Kampagne

Wir lesen in 4. Mo. 12,1-2a, wie aus­­gerechnet die beiden älteren Ge­schwister sich gegen Mose verbünden und eine Rufmord-Kampagne gegen den Führer ihres Volkes starten: „Mirjam aber und Aaron redeten gegen Mose wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hatte; denn er hatte eine Kuschitin zur Frau genommen. Und sie sprachen: Redet denn der HERR allein zu Mose? Redet er nicht auch zu uns?“

Der Anlass für ihren verbalen Angriff war die Heirat Moses mit Zippora, die eine kuschitische Frau aus Midian war. Als Kuschiterin hatte sie vermutlich eine sehr dunkle Hautfarbe und wir können im Handeln von Aaron und Mirjam vielleicht eine rassistische Motivation vermuten. Doch Rassismus ist nicht salonfähig. Damit können sie nicht vor das Volk treten. Das können sie Mose nicht vorwerfen. Also versuchen sie auf eine andere Weise, Mose vor dem Volk zu demütigen und bezichtigen ihn, ein Hochstapler zu sein: „Bildet sich unser kleiner Bruder denn ein, der einzige Prophet Gottes zu sein?“

Hört Mose das denn nicht?

Interessanterweise heißt es gleich im Anschluss an die Worte von Aaron und Mirjam (4. Mo. 12,2b): „Und der HERR hörte es.“ Was war mit Mose? Warum heißt es nicht: „Mose hörte es!“? Hörte er wirklich es nicht? Haben seine Geschwister das üble Gerede so erfolgreich hinter seinem Rücken verbreitet, dass er nichts davon mit­bekam? Oder tat er nur so, als hörte er es nicht?

Wie auch immer es war, eines steht fest: „Der HERR hörte es!“ Dieser kurze Satz ist der Felsen, an dem der sanftmütige Mensch in der Bran­­dung solcher Anfechtungen ei­nen sicheren Halt findet. „Der Herr hört, was die Leute reden! Der Herr weiß, was davon stimmt und was da­von erlogen ist! Der Herr weiß Bescheid und wird für mich eintreten, wenn es ihm gefällt!“

Und so heißt es im dritten Vers: „Aber Mose war ein sehr sanftmütiger Mann, sanftmütiger als alle Menschen auf Erden.“ Diese Sanftmut konnte Mose nur haben, weil ihm überhaupt nicht an eigener Ehre gelegen war. Er unternimmt keinerlei Anstalten, seine Ehre zu retten, sondern überlässt die Sache Gott.

Gott hört – Gott handelt

Während Mose sich gar nicht darum kümmert, dass seine Geschwister ihm vor dem Volk den guten Ruf zerstören, greift Gott sehr energisch ein, und zwar in einer absolut ungewöhnlichen Art und Weise. Er schickt die drei Geschwister zur Stiftshütte, spricht persönlich zu den Übeltätern, weist diese zurecht und bestraft sie (4. Mo. 12,5-11):

„Da kam der HERR in der Wolkensäule herab und trat an den Eingang der Stiftshütte, und er rief Aaron und Mirjam, und die beiden gingen voraus. Und er sprach: Hört doch meine Worte: Wenn jemand unter euch ein Prophet des HERRN ist, dem will ich mich in einem Gesicht offenbaren oder ich will in einem Traum zu ihm reden. Aber nicht so mein Knecht Mose: Er ist treu in meinem ganzen Haus. Mit ihm rede ich von Mund zu Mund, von Angesicht zu Angesicht und nicht rätselhaft, und er schaut die Gestalt des HERRN. Warum habt ihr euch denn nicht gefürchtet, gegen meinen Knecht Mose zu reden? Und der Zorn des HERRN entbrannte über sie, und er ging. Und die Wolke wich von der Stiftshütte; und siehe, da war Mirjam aussätzig wie Schnee. Und Aaron wandte sich zu Mirjam, und siehe, sie war aussätzig. Und Aaron sprach zu Mose: Ach, mein Herr, lege die Sünde nicht auf uns, denn wir haben töricht gehandelt und uns versündigt.“

Haben wir uns nicht auch schon man­ches Mal gewünscht, Gott würde in solch einer Weise die Menschen zu­rechtweisen, deren Worte an unserem Stolz kratzen? Oder vielleicht hindert gerade dieses Kratzen Gott daran, für uns einzustehen? Denn wo man am Stolz kratzen kann, ist dieser noch vorhanden. Und Stolz ist so ziemlich genau das Gegenteil der Sanftmut…

Bittet für die, welche euch beleidigen

Mose zeigt sich in dieser Begebenheit als ein Mann, der keinen Stolz mehr hat, an dem man noch hätte krat­zen können. So trägt er seiner Schwes­ter nichts nach. Er handelt ge­­mäß der Predigt des Herrn Jesus (die anderthalb Jahr­tausende später gesprochen wurde) und bittet für seine Schwester, die ihn doch so bitter verleumdet hatte (V. 13): „Ach Gott, heile sie doch!“

Mose hat die Rache Gott überlassen, und zwar völlig, er wollte diese Rache noch nicht einmal. Er trug nichts nach und gab nichts auf seine Ehre. Damit bietet er uns einen Typus (ein Bild) auf Jesus, der, „als er geschmäht wurde, schmähte er nicht wieder, als er litt, drohte er nicht, sondern übergab es dem, der gerecht richtet“ (1. Petr. 2,23). Petrus kommentiert dieses Verhalten Jesu als Maßgabe für unser Handeln (1. Petr. 2,21): „Denn dazu seid ihr berufen, weil auch Christus für uns gelitten und uns ein Vorbild hinterlassen hat, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt.“ So leben heißt, von Jesus Sanftmut lernen.

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