Autor: Endlich war es so weit. Eine geheimnisvolle Spannung lag in der Luft. In der ganzen Burg herrschte ein geschäftiges Treiben. Die letzten Vorbereitungen für die abendliche Weihnachtsfeier waren im vollen Gange, hier und da wurden noch die letzten Geschenke eingepackt und es duftete im ganzen Haus nach den köstlichsten Speisen. Die Kinder lungerten den ganzen Tag herum und wussten nichts mit sich anzufangen. Sie waren viel zu aufgeregt, welche Überraschungen sie heute unter dem Weihnachtsbaum wohl erwarten würde. Auch unsere drei Mäuse wussten nicht so recht, wohin mit sich. Sie hatten nun schon die ganze Burg durchsucht und nichts gefunden. Auf der einen Seite fanden sie das nicht mehr so schlimm, da sie jetzt ja wussten, dass Weihnachten trotzdem stattfinden konnte, aber auf der anderen Seite lies es sie auch nicht in Ruhe. Irgendwo musste die Figur schließlich sein. Aber wo? Oder hatte sie doch jemand absichtlich gestohlen? Aber wer – und vor allem warum?
Karl: Ich kann mir nicht helfen. Die Krippenfigur will und will mir nicht aus dem Kopf. Es kann doch nicht sein, dass wir sie nirgendwo finden konnten.
Lilly: Aber wir haben doch alles genaustens untersucht.
Pauli: Oder fällt dir etwas ein, was wir vergessen haben?
Karl: Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Irgendwie geht mir die eine Kiste nicht aus dem Kopf. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass wir vergessen haben, da hinein zu schauen.
Lilly: Da hilft nur nachschauen. Wir haben ja eh nichts mehr zu tun.
Pauli: Also noch einmal auf den Speicher.
Autor: Die Drei warteten, bis sich der gröbste Trubel gelegt hatte und sich die meisten in ihren Zimmern für den Heiligabend-Gottesdienst fertig machten und schlichen sich dann wieder auf den alten Speicher. Mittlerweile schien er ihnen nicht mehr so groß und unheimlich wie beim ersten Mal, sondern kam ihnen schon fast vertraut vor. Hatten sie doch jeden Winkel schon durchsucht – oder etwa doch nicht?
Lilly: Wo ist denn die Kiste, die du meintest?
Karl: Mmh, lasst mich überlegen. Da! Die kleine, braune Kiste dort hinten. Oder hat jemand von euch die durchsucht?
Pauli: Ich kann mich nicht daran erinnern.
Lilly: Ich auch nicht.
Karl: Und ich bin mir auch nicht sicher. Es ist unsere letzte Chance. Wenn da nichts ist, weiß ich auch nicht, wo sie noch sein könnte.
Autor: Aufgeregt trippelten die Drei auf die unscheinbare Kiste zu. War das vielleicht der Moment, auf den sie die letzten drei Wochen gewartet hatten? Oder war es wieder eine Enttäuschung? Vorsichtig kletterten sie auf die Kiste und lugten hinein.
Pauli: (seufzt) Leer. Oder seht ihr etwas?
Karl: Es ist noch zu dunkel und meine Augen haben sich noch nicht daran gewöhnt. Aber…
Lilly: Da! Liegt da nicht etwas? Es scheint ganz klein zu sein.
Pauli: Wo?
Lilly: Na, da hinten.
Autor: Lilly sprang aufgeregt in die Kiste hinein und rannte zu der Stelle, wo sie etwas entdeckt hatte. Dann rief sie aus.
Lilly: Das ist er! Wir haben ihn gefunden! Das ist die verschwundene Krippenfigur.
Karl: (lacht erleichtert) Endlich! Nach so langem Suchen.
Pauli: Und wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Dann war die ganze Sucherei doch nicht umsonst.
Autor: Erleichtert und überglücklich strahlten die Freunde sich an und betrachteten den lang ersehnten Fund.
Pauli: Bestimmt haben sich die Hirten damals ähnlich gefreut, als sie das Jesuskind fanden.
Karl: Möglich. Vielleicht auch noch viel mehr.
Lilly: Auf jeden Fall kann ich jetzt verstehen, dass sie die Neuigkeit allen weitersagen wollten. Ich würde auch am liebsten zu dem alten Klepper rennen und ihm erzählen, dass wir die Figur endlich gefunden haben.
Karl: O ja. Es sollen alle erfahren. Die Frage ist jetzt nur noch, wie wir die Jesusfigur bis in die Schlosshalle gebracht und in die Krippe gelegt bekommen. Schließlich soll ihn ja jeder sehen können.
Autor: Die kleinen Mäuse überlegten. Verschiede Vorschläge wurden eingeworfen, vom Flaschenzug bis zum Katapult war alles dabei. Plötzlich hielten sie inne. War da nicht was? Bildeten sie sich das nur ein oder hatte es wirklich geknarrt? Sie lauschten. Tatsächlich, ein leises, gleichmäßiges Knarren war aus Richtung der alten Treppe zu hören und schien immer näher zu kommen. Da stieg Jemand die Stufen zum Speicher herauf! Wie ein Blitz rannten die drei Mäuse los und versteckten sich hinter einer alten Kiste. Ängstlich hielten sie den Atem an.
Karl: Seht ihr, wer es ist?
Lilly: Es scheint die Köchin zu sein. Was will die denn hier oben? (erschreckt sich) Kastor ist auch bei ihr.
Pauli: (ängstlich) Kastor?
Autor: Pauli bekam ganz weiche Knie. Noch dichter drückte er sich in den schützenden Schatten der Kiste. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
Lilly: Sie kommen immer näher, sie scheinen auch etwas zu suchen.
Köchin: Na, Kastor, wo haben wir die Kiste denn nur hingestellt? Ah, da vorne muss sie sein.
Lilly: Jetzt steuert sie direkt auf die Kiste zu, in der Jesus liegt.
Karl: Was hat sie nur vor?
Autor: Gespannt sahen die Mäuse zu, wie die alte Köchin sich über die Kiste bückte und hineingriff. Dann holte sie die kleine Jesusfigur heraus und betrachtete sie für einen Augenblick.
Karl: Was macht sie da? Sie will doch nicht etwa Jesus klauen? Das müssen wir verhindern.
Lilly: Aber Kastor ist doch bei ihr. Da können wir nichts machen.
Autor: Regungslos verharrten die Drei in ihrem Versteck und mussten mit ansehen was geschah. Doch zu ihrer großen Verwunderung sahen sie nur, wie die alte Frau die kleine Figur an ihr Herz presste und dann schien es den Freunden sogar so, als kullere eine dicke Träne über ihre faltigen Wangen.
Köchin: Ach mein lieber Jesus. Jedes Jahr vergessen sie dich. Unbeachtet musst du die ganze Zeit über in deiner Krippe liegen und wirst keines Blickes gewürdigt. Und dieses Jahr ist keinem von ihnen aufgefallen, dass du nicht dort liegst. Dabei hatte ich so gehofft, dass sie vielleicht wenigstens dadurch aufmerksam auf die wahre Bedeutung von Weihnachten werden. (seufzt) Aber nun komm Kastor, wir wollen wieder nach unten gehen und Jesus an seinen Platz tun. An Heiligabend darf Jesus unter keinen Umständen fehlen. Auch wenn wir beiden die Einzigen sind, die ihn beachten werden.
Autor: Mit diesen Worten drehte die Köchin wieder um und verließ den Speicher. Kastor folgte ihr leise. Erleichtert atmeten die Freunde wieder auf, als die Gefahr vorbei war.
Karl: Wer hätte das gedacht.
Lilly: Dann wurde er absichtlich vergessen, in der Hoffnung, dass es jemand merken würde.
Pauli: Aber es ist keinem Menschen aufgefallen. Nur uns Tieren.
Karl: Und wir hätten Kastor fast beschuldigt, ihn gestohlen zu haben.
Lilly: Auch wenn er ja tatsächlich nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein schien. Aber dass es so ist, damit hätte ich im Leben nicht gerechnet.
Pauli: Auf jeden Fall hat sich jetzt die Frage geklärt, wie wir ihn in die Krippe bekommen.
Lilly: Stellt euch vor, wir wären etwas früher da gewesen. Da hätte sich die Köchin sicher gewundert, wo Jesus geblieben ist.
Karl: (lacht) Genauso wie wir damals.
Autor: Bald saßen die Mäuse auf der Burgmauer und beobachteten, wie die Burgbewohner in mit Decken ausgelegten Schlitten stiegen und hinunter ins Dorf fuhren, wo wie jedes Jahr der Heiligabend-Gottesdienst stattfand. Bald war die Burg wie ausgestorben. Für die drei Freunde war das die Gelegenheit, noch einmal in die Schlosshalle zu laufen. Bald standen sie wieder an der Krippe und sahen zufrieden die kleine Jesusfigur im weichen Stroh liegen.
Lilly: Wer hätte gedacht, dass es so ausgehen würde. Aber Hauptsache er ist wieder gefunden.
Pauli: Und wir wissen jetzt auch, dass es noch jemanden gibt, der Jesus nicht vergessen hat.
Lilly: Das stimmt. War es nicht schön zu sehen, wie lieb die Köchin Jesus hatte.
Pauli: O ja.
Karl: Und ist das nicht das größte Geschenk, dass man Jesus machen kann? Denn schließlich wünscht er sich nichts so sehr, als dass wir ihn lieben und ihm unsere Herzen schenken.
Pauli: Denn das ist ja auch der Grund von Weihnachten. Dass Jesus uns liebt und bei den Menschen wohnen möchte.
Lilly: Nur, dass ihn damals niemand bei sich aufnahm.
Karl: Genau. Aber das Angebot steht immer noch. Gott möchte bei uns wohnen. Und jeder, der ihn in sein Herz aufnimmt und liebt, der kann immer Weihnachten feiern.
Pauli: Ganz egal, ob mit oder ohne Krippenfigur.
Ende