Autor: Nur noch einmal schlafen, dann war es so weit. Ein letztes Mal kletterten die drei Freunde auf den alten Speicher, um den übrig gebliebenen Rest zu durchsuchen. Hier musste sie einfach sein. Die Figur konnte sich ja nicht in Luft aufgelöst haben. Langsam wurde es immer brenzlicher. Was war, wenn sie sie doch nicht rechtzeitig fänden? Bei dem Gedanken fingen sie an, noch gründlicher zu schauen und noch schneller zu wühlen. Doch es war nur der übliche Krempel: Halb zerfledderte Bücher, abgetragene Schuhe, leicht zerkratzte Bilderrahmen und so weiter. Plötzlich schrie Pauli aufgeregt auf.
Pauli: Ich habe ihn! Lilly, Karl August Baltasar, kommt schnell her, ich habe die Jesusfigur gefunden!
Autor: Sofort kamen die Beiden aufgeregt angerannt.
Lilly: Wo ist er? Endlich haben wir ihn gefunden.
Karl: Ich wusste doch, dass er hier irgendwo sein muss.
Autor: Gespannt kletterten sie zu Pauli auf die Truhe und starrten in das dunkle Innere. Ihre Augen brauchten ein wenig, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Lilly: Und wo ist Jesus?
Pauli: Da! Seht ihr ihn?
Autor: Pauli zeigte auf eine kleine Holzfigur, die unscheinbar in der einen Ecke lag.
Lilly: Aber, das ist doch gar kein Baby.
Karl: Das ist ein kleiner Prinz aus Holz.
Pauli: Dann ist das also nicht Jesus? Schade, ich habe mich schon so gefreut.
Lilly: Und wir uns auch. Nach der kurzen Vorfreude ist die Enttäuschung noch viel größer.
Pauli: Dabei war ich mir so sicher. Die Holzfigur sieht fast genauso aus wie die Figuren aus der Schlosshalle.
Karl: Aber Jesus war doch ein kleines Baby und kein ausgewachsener Prinz. Der hätte doch gar nicht in die kleine Krippe gepasst. Ist dir das überhaupt nicht aufgefallen?
Pauli: Nein. Ich dachte, Jesus ist ja nicht immer ein Baby geblieben. Irgendwann ist er auch groß geworden. Und da dachte ich, ist das vielleicht der große Jesus…
Autor: Nun schämte sich der kleine Pauli. Nicht nur, weil er sich so geirrt hatte, sondern auch, weil er seine beiden Freunde so enttäuscht hatte. Man spürte regelrecht, dass allen der Mut fehlte jetzt noch weiter zu suchen, nachdem man so kurz vor dem Ziel zu sein schien und dann doch wieder von Neuem anfangen musste. Schweigend suchte jeder vor sich hin, jedoch ohne großen Eifer und auch ohne Erfolg. Den ganzen Tag über sagte kaum jemand ein Wort. Sie waren zu entmutigt, dass die schwere Arbeit der vergangenen Wochen so ganz vergeblich war. Selbst der Gedanke an das bevorstehende Weihnachtsfest konnte sie nicht aufmuntern. Was war auch schon Weihnachten ohne Jesus? Konnte man da überhaupt fröhlich sein? Erst gegen Abend wurde das Schweigen gebrochen.
Pauli: Es tut mir leid, Freunde.
Lilly: Was tut dir leid?
Pauli: Na, das mit der falschen Jesusfigur, dass ich euch da eine falsche Hoffnung gemacht habe. Seid mir noch sehr böse?
Karl: Ach quatsch, Pauli. Wir waren dir nie böse. Das kann doch jedem passieren.
Pauli: Wirklich? Da bin ich aber erleichtert.
Lilly: Es ist nur ein bisschen schade, dass die ganze Arbeit umsonst war.
Karl: Und dass die Weihnachtsfreude ohne Jesus auch ein wenig fehlt.
Lilly: Aber das brauch sie doch gar nicht, oder? Ich musste heute noch lange über Paulis Worte nachdenken und ich glaube, er hat recht.
Pauli: Ich?
Karl: Wie meinst du das, Lilly?
Lilly: Na, dass Jesus kein Baby geblieben ist, sondern groß wurde. Und schließlich musste er das ja auch, sonst wäre er ja umsonst gekommen.
Karl: Das stimmt. Er musste unbedingt für uns sterben, auferstehen und in den Himmel zurück gehen.
Lilly: Und deswegen brauchen wir kein Weihnachten ohne Jesus zu feiern, auch wenn die Krippe leer bleibt. Denn das wurde sie ja wirklich.
Pauli: So leer, wie nachher das Grab, als Jesus auferstand.
Karl: Jetzt fällt es mir ein!
Pauli: Was fällt dir ein.
Karl: Erinnert ihr euch noch an unseren Krisenrat, ganz am Anfang? Da sagtet ihr Jesus sei weg und wir wissen nicht, wo sie ihn hingetan haben. Damals erinnerte mich das an irgendetwas, aber ich wusste nicht, an was. Und jetzt fällt es mir wieder ein. Genau das sagten damals auch die Jünger, als Jesus auferstanden ist. Sie sahen nur das leere Grab und versuchten ihn zu suchen.
Lilly: Aber das leere Grab war der Beweis, dass Jesus auferstanden war.
Pauli: So wie die leere Krippe der Beweis ist, dass Jesus groß geworden und für uns gestorben ist.
Lilly: Genau. Und deswegen hat deine Verwechslung mir gezeigt, dass wir trotzdem Weihnachten feiern können. Auch mit leerer Krippe – oder vielleicht sogar gerade deshalb.